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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 14.11.2000
Aktenzeichen: 5 U 6907/99
Rechtsgebiete: UWG, BGB
Vorschriften:
UWG § 3 | |
BGB § 133 | |
BGB § 157 |
2. Die Werbeaussage "Deutschlandpremiere im Fernsehen", die von einem privaten Fernsehsender für die erstmalige Ausstrahlung eines Spielfilmes im Medium Fernsehen verwendet wird, ist nicht irreführend gem. § 3 UWG.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes
Geschäftsnummer: 5 U 6907/99 102 O 77/99 LG Berlin
Verkündet am: 14. November 2000
Kunze Justizsekretärin z. A.
In dem Rechtsstreit
hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bornemann, die Richterin am Kammergericht Prietzel-Funk und den Richter am Kammergericht Crass auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2000 für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13. Juli 1999 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 102 des Landgerichts Berlin geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer des Klägers beträgt 50.000,00 DM.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Verwirkung einer Vertragsstrafe.
Die Beklagte hatte zunächst für die Ausstrahlung eines Spielfilmes, bei der es sich nicht um eine Erstausstrahlung in Deutschland handelte, mit dem Hinweis "Deutschlandpremiere" geworben. Der Kläger hatte die Beklagte daraufhin mit Schreiben vom 19. September 1997 unter Hinweis auf §§ 3 und 1 UWG - hinsichtlich des § 3 UWG verbunden mit dem Vorbringen, es handele sich gleichzeitig um eine Alleinstellungsbehauptung - abgemahnt. Der Abmahnung beigefügt war eine vorformulierte vertragsstrafebewehrte Unterlassungserklärung, nach deren Wortlaut es die Beklagte zu unterlassen hatte, zu Wettbewerbszwecken für von ihr ausgestrahlte Spielfilme mit "Deutschlandpremiere" zu werben, sofern der beworbene Spielfilm nicht tatsächlich erstmals in Deutschland einem interessierten Publikum angeboten wird. Diese Unterlassungserklärung gab die Beklagte zwar nicht ab. Mit Schreiben vom 26. September 1997 gab sie jedoch eine Erklärung dahingehend ab, dass sie sich gegenüber dem Kläger verpflichte, "es zu unterlassen, für die von dem Sender ausgestrahlten Spielfilme mit der Bezeichnung "Deutschlandpremiere" in Alleinstellung zu werben, wenn der in Frage stehende Spielfilm tatsächlich vorher per Video vertrieben wird, "sofern der beworbene Spielfilm nicht tatsächlich erstmals in Deutschland dem Publikum angeboten wird". Für jeden Fall der Zuwiderhandlung verpflichtete sich die Beklagte, "eine nach billigem Ermessen festzusetzende und im Streitfall vom zuständigen Gericht nachprüfbare Vertragsstrafe an den ... (Kläger) zu zahlen". Wegen der Einzelheiten der Abmahnung, der vorformulierten Unterlassungserklärung und des Anschreibens der Beklagten an den Kläger vom 26. September 1997 wird auf die Ablichtungen Bl. 5 - 10 d. A. Bezug genommen.
In der Programmzeitschrift "TV-Spielfilm", Heft 25/1997, warb die Beklagte für die Ausstrahlung des Spielfilms "Star Trek VII" mit dem Hinweis "15.00 Uhr Deutschlandpremiere im Fernsehen". Wegen der Einzelheiten der Werbung wird auf die ausschnittsweise Ablichtung Bl. 11 d. A. Bezug genommen. Bereits vor dem Erscheinen dieser Werbung wurde der von der Beklagten beworbene Spielfilm in Deutschland auf Videobändern vertrieben.
Der Kläger ist der Ansicht gewesen, mit der beanstandeten Werbung habe die Beklagte die Vertragsstrafe verwirkt, die er in Höhe von 100.000,00 DM für angemessen gehalten hat.
Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 100.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 12. Dezember 1997 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, sie habe die Bezeichnung "Deutschlandpremiere" nicht in Alleinstellung benutzt, weswegen bereits grundsätzlich kein Verstoß gegen die Unterlassungserklärung vorliegen könne. Jedenfalls lasse die Formulierung "15.00 Uhr Deutschlandpremiere im Fernsehen" deutlich erkennen, dass es sich bei der Ausstrahlung des Spielfilms um eine Premiere im Fernsehen handele. Die Angemessenheit der Höhe der verlangten Vertragsstrafe hat die Beklagte in Abrede gestellt.
Das Landgericht hat die Beklagte mit am 13. Juli 1999 verkündetem Urteil, dass dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 29. Juli 1999 zugestellt worden ist, zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 50.000,00 DM nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, die mit am 21. August 1999 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz eingelegt und mit am 17. September 1999 eingegangenem Schriftsatz begründet worden ist.
Sie verfolgt ihre bisherige Rechtsauffassung weiter und beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil mit Rechtsausführungen als zutreffend.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet. Ein Verstoß gegen die vertragsstrafebewehrte Unterlassungserklärung der Beklagten liegt nicht vor.
1.
Entgegen der Auffassung des Klägers hat sich die Beklagte schon nicht dazu verpflichtet, das Wort "Deutschlandpremiere" als solches nicht mehr zu benutzen. Zwar hat der Kläger sie mit diesem Ziel abgemahnt, wie die vorformulierte Unterwerfungserklärung sowie die Ausführungen des Klägers in seinem Abmahnscheiben zeigen. Eine derartige Unterwerfungserklärung hat die Beklagte aber nicht abgegeben. Die Unterlassungserklärung der Beklagten, die der Kläger sodann auch beanstandungslos akzeptiert hat, weist vielmehr den Wortlaut auf, für Spielfilme mit "Deutschlandpremiere in Alleinstellung" nicht mehr zu werben. Die Auslegung einer vertragsstrafebewehrten Unterlassungserklärung richtet sich nicht nach den für die Auslegung einer Urteilsformel geltenden Grundsätzen, sondern nach den allgemein für die Vertragsauslegung gültigen Regeln (BGH GRUR 1992, 61, 62 - Preisvergleichsliste; WRP 1993, 240, 241 - Fortsetzungszusammenhang; WRP 1997, 1067, 1069 - sekundenschnell; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., Einl. Rdnr. 485 a. E.; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kapitel 8 Rdnr. 14). Entscheidend ist daher, wie die Parteien die von ihnen verwendeten Begriffe verstanden haben und was sie gewollt haben bzw. wie der jeweils andere Teil die Erklärungen seines Vertragspartners verstehen konnte, durfte und musste. Das richtet sich grundsätzlich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärungen bzw. beim Zustandekommen des Vertrages (Mellulis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl. Rdnr. 636). Die Beklagte hat sich nicht umfassend, sondern nur einschränkend zur Unterlassung der Benutzung des Begriffs "Deutschlandpremiere" verpflichtet. Sie hat in dem Begleitschreiben zur Unterlassungserklärung geltend gemacht, ihres Erachtens mache die Verwendung des Firmenkennzeichens "S" dem angesprochenen Publikum hinreichend deutlich, dass es sich bei dem angekündigten Spielfilm um eine deutsche TV-Erstausstrahlung, nämlich bei der Beklagten, handele. Aus diesem Gesamtzusammenhang ergibt sich unzweideutig, dass sich die von der Beklagte gewählten Worte "in Alleinstellung" nicht auf eine von dem Kläger gerügte angebliche Alleinstellungswerbung beziehen, sondern dass die Beklagte damit zum Ausdruck gebracht hat, das Wort "Deutschlandpremiere" zukünftig mit einem wie auch immer gearteten, aber aufklärenden Zusatz versehen will. Die Meinung des Klägers, die Werbung mit "Deutschlandpremiere in Alleinstellung" unterlassen zu wollen, konkretisiere im Sinne der rechtlichen Bedeutung des Begriffes "in Alleinstellung" die Art des Wettbewerbsverstoßes, nämlich die Hervorhebung einer nicht gegebenen Spitzenstellung, überzeugt nicht. Zutreffend ist, dass die Worte in Alleinstellung im Zusammenhang mit der irreführenden Spitzenstellungswerbung einschlägige wettbewerbsrechtliche Bedeutung haben (vgl. z. B. Baumbach/Hefermehl a. a. O. § 3 Rdnr. 68). Der konkrete Zusammenhang jedoch, in den die Beklagte die Worte gestellt hat, spricht semantisch gegen ein solches Verständnis.
2.
Der von der Beklagten zur Vermeidung einer Irreführung zu verwendende Zusatz im Sinne der Unterwerfungserklärung muss jedoch zur Klarstellung geeignet sein, dass es sich bei der "Deutschlandpremiere" um eine Erstausstrahlung des Spielfilms lediglich im Medium Fernsehen, nicht aber um eine Erstaufführung in Deutschland und in allen Medien schlechthin handelt. Einen Irrtum hierüber zu verhindern, war nach dem beiderseitigen Willen der vertragsschließenden Parteien Gegenstand und Ziel der rechtlichen Auseinandersetzung, so dass der von Seiten der Beklagten vorbehaltene Zusatz diesen Anforderungen gerecht werden muss, wenn er einen Verstoß gegen die Unterwerfungserklärung verhindern soll. Der Zweck eines Unterlassungsvertrages, nach einer Verletzungshandlung die Vermutung der Wiederholungsgefahr, die alle auch im Kern gleichartigen Verletzungsformen erfasst, durch eine vertragsstrafebewehrte Unterlassungsverpflichtung auszuräumen und damit die Einleitung oder Fortsetzung eines gerichtlichen Verfahrens entbehrlich zu machen, spricht dafür, dass die Vertragsparteien durch ihn auch im Kern gleichartige Verletzungsformen erfassen wollten (BGH WRP 1997, 1067, 1069 - sekundenschnell). Im Zweifel ist anzunehmen, dass die Parteien das Vernünftige gewollt und nichts Unredliches angestrebt haben. Nach diesen Grundsätzen genügt nicht ein rein formaler, sondern nur ein sachbezogener Zusatz, damit die Reichweite der Unterlassungserklärung verlassen wird."
Entgegen der Auffassung des Landgerichts geht der Senat davon aus, dass der von der Beklagten gewählte Zusatz "im Fernsehen" eine ausreichende Klarstellung im oben genannten Sinne bewirkt. Bei der Beurteilung dieser Frage ist auf das Verbraucherleitbild des Europäischen Gerichtshofs abzustellen, der für die Beurteilung der Frage der Irreführung das Verständnis des durchschnittlich informierten und aufmerksamen Verbrauchers zugrunde legt. Dieser Verbraucher unterliegt aber keinem Fehlverständnis, weil ihm bekannt ist, dass Spielfilme - auch in Deutschland - in aller Regel zunächst in den Kinotheatern und in den Videotheken vermarktet werden und sie erst danach auch im Fernsehen ausgestrahlt werden. Nach Einschätzung des Senates verbleibt nur eine verschwindend geringe Minderheit, die dadurch irregeführt wird, dass sie die Werbeaussage in dem Sinn versteht, dass es sich um die erste Veröffentlichung des Filmes überhaupt in Deutschland handelt und er auch durch andere Medien in Deutschland noch nicht verbreitet wurde.
Da eine Irreführung eines relevanten Teils der angesprochenen Verbraucher nicht festgestellt werden konnte, liegt ein Verstoß gegen die Unterlassungserklärung nicht vor mit der Folge, dass dem Kläger die geltend gemachte Vertragsstrafe nicht zuzuerkennen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 546 Abs. 2 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und das Urteil nicht von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht, § 546 Abs. 1 Satz 2 ZPO.
Ende der Entscheidung
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